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31.10.2022
Kindergeld: Rechtmäßigkeit der Auszahlungssperre
Die Auszahlungsbegrenzung nach § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG in der Fassung des SozialMissbrG ist nicht zu beanstanden (FG Schleswig-Holstein, Urteil v. 17.5.2022 - 4 K 110/21; Revision anhängig, BFH-Az. III R 27/22).
Hintergrund: Nach § 70 Abs. 1 S. 2 EStG erfolgt die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist - auch wenn der Anspruch auf Kindergeld materiell-rechtlich bereits früher entstanden sein sollte.
Die Norm ist nicht neu; die sog. „Auszahlungssperre“ fand sich früher in § 66 Abs. 3 EStG. Allerdings stellte der BFH fest, dass die Norm des § 66 Abs. 3 EStG systematisch dem Festsetzungsverfahren zuordenbar ist und vertrat daher die Auffassung, dass eine - dem Abrechnungsverfahren zuzuordnende - Auszahlungssperre dort keine Wirksamkeit entfalten könne. Als Reaktion darauf hat der Gesetzgeber die Norm des § 66 Abs. 3 EStG aufgehoben und mit dem Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch (SozialMissbrG, BGBl. 2019, 1066) in die Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG überführt. Die neue Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG - welche die Auszahlungssperre nunmehr dem „richtigen“ Erhebungsverfahren zuordnen soll - ist gem. § 52 Abs. 50 Satz 1 EStG auf Anträge anzuwenden, die nach dem 18.07.2019 eingegangen sind.
Hierzu führten die Richter des FG Schleswig-Holstein weiter aus:
• Die Anwendbarkeit des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG ist bereits in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung bestätigt worden.
• Durchgreifende (etwa verfassungsmäßige) Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Norm wurden nicht erkannt (vgl. FG Niedersachsen, Urteil v. 11.5.2021 - 12 K 246/20; FG Nürnberg, Urteil v. 28.7.2021 - 3 K 1589/20; FG Münster, Urteil v. 21.5.2021 - 4 K 3164/20); höchstrichterliche Rechtsprechung liegt zu dem Thema noch nicht vor (anhängige Verfahren beim BFH unter den Az. III R 21/21 und III R 28/21).
• Der Senat schließt sich der o.g. Rechtsprechung an.
Hinweis:
Gegen das Urteil ist Revision eingelegt worden, so dass beim BFH nunmehr unter dem Aktenzeichen III R 27/22 ein weiteres Verfahren zu dieser Thematik anhängig ist.
26.10.2022
Anhebung der Midi-Job-Grenze, Energiepreispauschale für Rentner
Rentner sollen eine Energiepreispauschale von 300 Euro brutto erhalten. Außerdem soll die Midi-Job-Grenze auf 2.000 Euro angehoben werden. Die Bundesregierung hat am 5.10.2022 eine Formulierungshilfe für einen "Gesetzentwurf zur Zahlung einer Energiepreispauschale an Renten- und Versorgungsbeziehende und zur Erweiterung des Übergangsbereichs" beschlossen.
Energiepreispauschale für Rentner
Die Energiepreispauschale erhält, wer zum Stichtag 1.12.2022 Anspruch auf eine Alters-, Erwerbsminderungs- oder Hinterbliebenenrente der gesetzlichen Rentenversicherung oder auf Versorgungsbezüge nach dem Beamten- oder dem Soldatenversorgungsgesetz hat. Der Anspruch besteht nur bei einem Wohnsitz im Inland.
Die Energiepreispauschale wird bis Mitte Dezember einmalig über die jeweiligen Rentenzahlstellen ausgezahlt. Sie ist einkommensteuerpflichtig, aber nicht sozialversicherungspflichtig.
Anhebung der Midi-Job-Grenze
Der Gesetzentwurf sieht zudem eine Erweiterung des Übergangsbereichs, der sog. Midijobs, vor. Die Obergrenze soll zum 1.1.2023 auf 2.000 Euro steigen. Profitieren werden besonders Menschen mit kleinen Einkommen, die von den Preissteigerungen bei Energie und Nahrungsmitteln überproportional betroffen sind. Sie behalten mehr Netto vom Brutto.
Derzeit liegt der Übergangsbereich zwischen 520,01 Euro und 1.600 Euro. Innerhalb dieses Bereiches steigen die Sozialbeiträge der Arbeitnehmer gleitend von null auf den vollen Beitrag. Die geringeren Beiträge vor allem im unteren Einkommensbereich erhöhen den Anreiz, über einen Minijob hinaus erwerbstätig zu sein.
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10.10.2022
Häusliches Arbeitszimmer eines Gutachters
Das FG Münster hat entschieden, dass das häusliche Arbeitszimmer eines u.a. von Gerichten beauftragten psychologischen Gutachters den Mittelpunkt dessen beruflicher Tätigkeit darstellen kann mit der Folge, dass die Aufwendungen unbegrenzt als Werbungskosten abzugsfähig sind (FG Münster, Urteil v. 18.8.2022 - 8 K 3186/21 E).
Sachverhalt: Der Kläger ist als selbstständiger psychologischer Gutachter tätig und wird vor allem in Überprüfungsverfahren für Strafvollstreckungskammern und für Einrichtungen des Maßregelvollzugs tätig. Im Streitjahr 2020 machte er Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer i. H. von knapp 2.400 € als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen lediglich i. H. von 1.250 € an, weil das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Tätigkeit des Klägers darstelle. Der qualitative Schwerpunkt liege in den für die Begutachtung unerlässlichen Explorationen der zu begutachtenden Personen.
Hiergegen wandte der Kläger ein, dass die Explorationen und die Gerichtstermine im Verhältnis zur Tätigkeit im Arbeitszimmer in einem zeitlich untergeordneten Rahmen lägen (Verhältnis zwischen 1:3 und 1:5). Die Ausarbeitung der Gutachten erfordere die Auswertung aller vorliegenden Informationen und stelle die eigentliche Tätigkeit dar.
Das FG hat der Klage stattgegeben:
• Der für den vollständigen Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer erforderliche Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung bestimmt sich vorrangig nach dem qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit.
• Beim Kläger liegt dieser in seinem Arbeitszimmer. Kern seiner Gutachtertätigkeit ist es, unter Ermittlung der erforderlichen Tatsachengrundlage eine Prognoseentscheidung zu treffen. Alleiniger Schwerpunkt dieser Tätigkeit sind die im Arbeitszimmer ausgeübten Tätigkeiten der Auswertung der Akten und der Explorationen und die darauf aufbauenden, für das Treffen und die Begründung der Prognoseentscheidung erforderlichen Recherche-, Rechen-, Bewertungs- und Schreibarbeiten.
• Demgegenüber stellen die Explorationen selbst keinen weiteren wesentlichen Teil der Tätigkeit des Klägers dar. Diese sind zwar wichtige Bausteine für die Prognoseentscheidungen, werden aber wegen der freiwilligen Teilnahme der Probanden nicht immer von den Auftraggebern verlangt und sind auch nicht in jedem Fall erforderlich. Alternativ zur Exploration gibt es auch andere Analyseinstrumente, die der Kläger in einem erheblichen Teil der Gutachten verwandt hat. Zudem ist die Durchführung der Explorationen weitgehend standardisiert.
09.10.2022
Energiepreispauschale : Entlastung für Bezieher von Renten
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Energiepreisentwicklung hat der Koalitionsausschuss beschlossen, dass auch Rentnerinnen und Rentner, die bisher keine Einmalzahlung erhalten haben, entlastet werden und eine einmalige Energiepreispauschale i. H. von 300 € erhalten sollen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat einen Fragen-Antworten-Katalog zur Entlastung für Bezieher von Renten veröffentlicht.
Hierzu führt das BMAS aus:
• Die Energiepreispauschale erhält, wer im September 2022 Anspruch auf eine Alters-, Erwerbsminderungs- oder Witwen-/Witwerrente der gesetzlichen Rentenversicherung und seinen Wohnsitz im Inland hat. Soweit von einer Person mehrere der genannten Renten nebeneinander bezogen werden, wird die Energiepreispauschale nur einmal ausgezahlt.
• Empfängerinnen und Empfänger von Waisenrenten haben keinen eigenen Anspruch auf die Energiepreispauschale, da sie ihren Lebensunterhalt regelmäßig nicht selbst bestreiten und bereits mittelbar durch Haushaltsgemeinschaften mit Erwerbstätigen oder Bezieherinnen und Beziehern von Hinterbliebenenrenten erfasst werden.
• Empfängerinnen und Empfänger von Waisenrenten, deren Lebensunterhalt nicht über die Haushaltsgemeinschaft abgedeckt ist, haben die Pauschale in der Regel als Auszubildende erhalten oder sollen sie als Studierende oder Fachschüler und Fachschülerinnen erhalten.
Die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG kann auch nach der Neufassung der Vorschrift durch das JStG 2008 nur in Anspruch genommen werden, wenn der Rechnungsbetrag auf einem Konto des Leistenden bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben wird. Die Gutschrift des Rechnungsbetrags im Wege der Aufrechnung durch Belastung des Gesellschafterverrechnungskontos des Steuerpflichtigen bei der leistungserbringenden GmbH genügt den gesetzlichen Anforderungen an den Zahlungsvorgang nicht (BFH, Beschluss v. 9.6.2022 - VI R 23/20; veröffentlicht am 1.9.2022).
12.09.2022
Einkommensteuerbescheide in die Schweiz
Eine Zustellung von Einkommensteuerbescheiden an einen in der Schweiz wohnhaften Steuerpflichtigen unmittelbar durch die Post ist völkerrechtlich erstmals für Besteuerungszeiträume ab dem 1.1.2018 zulässig (BFH, Urteil v. Urteil vom 8.3.2022 - VI R 37/19; veröffentlicht am 18.8.2022). Gemäß § 122 Abs. 5 Satz 2 AO i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn sie im Fall des § 9 VwZG (Zustellung im Ausland) nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung kommt nur als letztes Mittel in Betracht, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, den Verwaltungsakt dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln (u.a. BFH, Urteil v. 9.12.2009 - X R 54/06, BStBl II 2010, 732).
08.09.2022
Kindergeld: Schulbesuch außerhalb der EU
Hält sich ein zunächst im Inland wohnhaftes minderjähriges Kind zu Ausbildungszwecken für mehr als ein Jahr außerhalb des Gebietes der EU und des EWR auf, behält es seinen Inlandswohnsitz in der Wohnung eines oder beider Elternteile nur dann bei, wenn ihm in dieser Wohnung zum dauerhaften Wohnen geeignete Räume zur Verfügung stehen, es diese objektiv jederzeit nutzen kann und tatsächlich mit einer gewissen Regelmäßigkeit auch nutzt. Eine Beibehaltung des Inlandswohnsitzes kommt dabei im Regelfall nur dann in Betracht, wenn das Kind diese Wohnung zumindest zum überwiegenden Teil der ausbildungsfreien Zeiten tatsächlich nutzt (BFH, Urteil v. 28.4.2022 - III R 12/20; veröffentlicht am 11.8.2022).
Der Ausschluss ausländischer Staatsangehöriger mit humanitären Aufenthaltstiteln vom Kindergeld ist verfassungswidrig. § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG in der Fassung des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006 (EStG 2006) verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Vorschrift ist nichtig (BVerfG, Beschluss vom 28.7.2022 - 2 BvL 9/14, 2 BvL 14/14, 2 BvL 13/14, 2 BvL 10/14).
Hintergrund: § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG 2006 sieht vor, dass Staatsangehörige der meisten Nicht-EU-Staaten, denen der Aufenthalt in Deutschland aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erlaubt ist, nur dann einen Anspruch auf Kindergeld haben, wenn sie sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten und zusätzlich bestimmte Merkmale der Arbeitsmarktintegration erfüllen, das heißt entweder im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig sind, Arbeitslosengeld I beziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen. Nach Einleitung des Vorlageverfahrens wurde § 62 Abs. 2 EStG mit Wirkung zum 1.3.2020 geändert.
22.08.2022
Einheitliche Erstausbildung
Eine Kindergeldgewährung wegen eines Jurastudiums des Kindes kommt nicht in Betracht, wenn das Kind nach Abschluss der Ausbildung zum Diplom-Finanzwirt ein längerfristiges Dienstverhältnis in der Finanzverwaltung aufnimmt, das deutlich über 20 Wochenarbeitsstunden umfasst, und das Studium nur in den danach verbleibenden arbeitsfreien Zeiten durchführt (BFH, Urteil v. 7.4.2022 - III R 22/21; veröffentlicht am 28.7.2022).
Es besteht Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wenn dieses für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. In den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der § 8 und § 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind insoweit unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).
02.08.2022
Kindergeld: Versäumter Termin bei der Agentur für Arbeit
Ein als arbeitsuchend gemeldetes Kind, welches keine Leistungen von der Agentur für Arbeit bezieht und lediglich seiner allgemeinen Meldepflicht bei der Arbeitsagentur nicht nachkommt, begeht keine Pflichtverletzung, die zum Wegfall des Kindergeldes führt (FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 16.5.2022 - 2 K 2067/20; rechtskräftig).